von Wolfgang Steffel
06.6.2009

EIN NEUES PFINGSTEN

Ein wesentliches Plädoyer für die Kirche

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Ein neues Pfingsten

<span>Ermutigung zu einem neuen Weg der Hoffnung</span> Paul M. Zulehner ISBN 978-3-7966-1416-3

(„Ein neues Pfingsten“ 12,90 Euro) Paul M. Zulehner ermutigt mit einem Geist erfüllten und deshalb auch „feurigen“ Plädoyer, Kirche mit Phantasie und Mut neu zu „er-finden“, im doppelten Sinne des Wortes: auffinden in der reichen Tradition der Kirche, aber auch ganz neue Formen schaffen.

Es ist kein Buch für bornierte Nostalgiker, die den Glauben durch immergleiche Formen für alle Menschen an allen Orten der Welt bewahren wollen und dabei verkrampfen. Nicht von ungefähr zitiert Zulehner aus dem Hymnus „Komm, heiliger Geist“: „Beuge, was verhärtet ist.“ Der Autor propagiert aber auch nicht schnelle und einfache Auswege aus der Kirchenkrise. Statt einem Hauruckverfahren sucht er ständig die Balance zwischen Weltoffenheit und klarem Profil, zwischen Offenheit für den Zeitgeist und einer schonungslosen Unterscheidung der Geister – übrigens nicht nur in der Welt, sondern auch in der Kirche selbst.

Zulehner scheint genügend Sensibilität für die mögliche Wandlungsfähigkeit der Kirche mitzubringen, so dass keiner seiner Reformvorschläge kategorisch daherkommt. Zugleich bleibt für ihn immer außer Frage, dass sich die Kirche wandeln muss. „Zumindest“, so Zulehner, „könnten neue Möglichkeiten in kontrollierten Experimenten gewagt und auf ihre weltkirchliche Tauglichkeit hin geprüft werden“ (Seite 78). Sehr bedenkenswert ist die Forderung nach einem „Ältestenteam aus und für die Gemeinde“ (Seite 80-82), mit dem die unheilvolle Not-Strategie überwunden werden könnte, die Seelsorgeräume der jeweils verfügbaren Anzahl von Priestern anzupassen. Zulehner will es – wie er selbst sanft andeutet (Seite 53) – wohl weniger mit dem Papst halten, der sich selbst als Platoniker sieht, sondern mehr mit Aristoteles. Es geht weniger um das Schöne und Geistreiche, sondern mehr um die konkreten, bisweilen beinharten pastoralen Realitäten und die Notwendigkeit eines strukturellen Kirchenumbaus.

Zulehner stellt das Pfingstfest in den Mittelpunkt seiner Anregungen, die immer auch Aufregungen über Selbstgefälligkeit, Verwaltungsmentalität und Besitzstandsdenken in der Kirche sind. Das konkrete Pfingstfest in unseren Gemeinden geht doch stark in Ferien und Urlaub unter. Es wird auch nicht als fünfzigster Tag nach Ostern, also als Erfüllung von Ostern und mutiger Schritt in neue Möglichkeiten gefeiert, weil doch meist bereits mit dem Ostermontag die Osterzeit innerlich beendet wird. Da tut es gut, dass ein renommierter Pastoraltheologe das Pfingstfest erschließt. Einmal geht es ihm – wesentlich biblisch inspiriert – um das „erste Pfingstfest“, wie es in der Apostelgeschichte überliefert ist. Er bietet aber auch andere Zeugnisse des Neuen Testaments, alte Hymnen und Motive der mittelalterlichen Mystik, die allesamt unmittelbar ansprechen.

Dann geht es ihm um das Pfingsten des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses zu erschließen ist geradeso notwendig, zumal die Kräfte in der Kirche aktuell an Einfluss gewinnen, die entweder hinter das Konzil zurück wollen oder es so interpretieren, dass von der in ihm angelegten Weite, von Toleranz und Mut, nicht mehr viel übrig bleibt. Viele Ehrenamtliche und kirchlich Interessierte befürchten eine „klammheimliche Zurücknahme von Teilen des Konzils“ (Seite 48). Sie suchen eine verständliche Erklärung des Konzils. Ihnen kann das Buch wärmstens empfohlen werden. Denn hier wird der Geist des Konzils lebendig.

Viele Gemeinden beginnen die Sommerpause bereits nach der letzten Erstkommunion und kommen erst wieder im Advent in Schwung. Hier ist das Buch ein Wink mit dem pfingstlichen Zaunpfahl, in Sachen Kirchenwandel und Verkündigung das ganze (Kirchen-)Jahr am Ball zu bleiben – freilich nicht aktionistisch oder besessen, sondern vom Geist beseelt. So könnten sich Gremien, Gruppen und Gemeinschaften gerade in den sommerlichen Sitzungen intensiv mit den Themen des Büchleins befassen, und sei es nur dadurch, einzelne Passagen als Eingangsimpulse auszuwählen. Die Übersichtlichkeit in kurzen Abschnitten, die durchgängige Verständlichkeit, der ständige Praxisbezug und manches leicht zu merkende, tiefgründige Wort machen es zu einer Fundgrube für alle, die Kirche auf Augenhöhe der Zeit gestalten möchten.

Durchgehend ist die Gemeindeperspektive, also die Frage danach, was dem Aufbau der Gemeinden dient, nicht dem Selbstaufbau, der Selbstinszenierung von Individuen. Bei der immer stärkeren Dominanz der Individualität in religiösen Dingen („Was bringt mir das?“ statt „Was kann ich beitragen?“) ist dies eine wichtige Perspektive. So werden etwa die bereits angedeuteten „Ältestenteams“ bewusst aus der Gemeinden heraus berufen. Ein wichtiger Gegenakzent in einer Zeit, in der die Berufung zum Priesteramt fast nur noch als eine Art „Selbstberufung“ Einzelner ohne vorherige Gemeindeanbindung stattfindet. Ein anderes Beispiel: Zulehner will gerade auch die verantwortlichen Gremien als Ganze zu einer „Unterscheidung der Geister“ ermutigen, also nicht bloß der Einzelne, der entscheidet, was im Geiste Jesu getan oder gelassen werden soll und was nicht.

Ein Buch für alle Engagierten, die trotz Problemstau in der Kirche nicht das Weite, sondern die Weite suchen.

Ein neues Pfingsten Ermutigung zu einem neuen Weg der Hoffnung

Paul M. Zulehner, Schwabenverlag, 2008, 104 Seiten, gebunden, 19 x 12 cm

ISBN 978-3-7966-1416-3
12,90€
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Leser-Kommentar (1)
  • Diese Empfehlung ist an sich schon so mitreißend geschrieben, dass ich mich nach diesem Artikel bereits top motiviert fühle für neue Gemeindearbeit. Das Buch werde ich mir gleich bestellen.

    Petersen - 6. Juni 2009, 16:36